Von Wien nach Nizza. Route des Grandes Alpes
Begonnen hat die Planung mit: Wie komme ich überhaupt an den Start? Es gibt den Nachtzug nach Verona oder Feldkirch. Gegen einen geringen Aufpreis kann man das Motorrad mitführen lassen. Allerdings wollte ich dann in Zeiten von Corona auch nicht eine Nacht in einem 4rer Abteil mit Fremden verbringen. Also habe ich die Strecke so durchgeplant. Im Nachhinein: die Anstrengung war gigantisch – ich würde nie mehr eine so lange Strecke in so kurzer Zeit fahren – aber es war eine Once-in-a-Life-Experience – und daher ist es ok. Die Route hab ich von paesse.info und hab sie mit dem Tourenfahrer Magazin noch abgeglichen. Ebenfalls hab ich sie mit der Seite eines Guides gegengechecked, mit dem ich eine Woche in Rumänien in einer Gruppe war.
Der Beginn
Auf der Autobahn ging es nach Eisenkappel. Obwohl ich einen PCR Test hatte, machte ich noch vorsichtshalber einen aktuellen Abstrich, bevor es nach Slowenien ging. Über den Seebergsattel ging es dann Richtung Vršičpass. Der Pass macht immer wieder Laune, obwohl Pflastersteine in den Kehren doch ein wenig den Fahrspaß dämpfen. Danach wollte ich mir noch den Mangart anschauen. Die Mautstelle war Gott sei Dank nicht besetzt und es gab eine Warntafel mit „2km blabla“. Zwei einheimische versicherten mir aber im gebrochenen Deutsch: Kein Stress – fahr. Man kam fast ganz rauf – vor dem letzten Aufschwung war dann aber Schluss – Schnee. Noch ein kurzes Gespräch mit einer Gruppe Tschechen. Hab Ihnen von meiner Reise Rund um Tschechien erzählt – war eine gute Gesprächsbasis. Über den Passo Predil ging es ins schöne Italien. Dann eine lange Durststrecke bis man endlich in Cortina ist. Das Fahren auf diesen Straßen macht müde. Maut für die Autobahn will man auch nicht zahlen. Also dachte ich: Nehmen wir wieder mal den Stelvio mit – den ich Anfangs umfahren wollte. Der Stelvio ist sicher einer der eigenartigsten Pässe, die ich kenne. Man überlässt Kraftfahrzeugen aller Größe die eigenständige Koordination. Wenn dann also mal ein Bus kommt – warten, warten. Die Kehre kann / sollte prinzipiell ja nur von einem Fahrzeug befahren werden – das macht es spannend.
Und wieder Durststrecke
Auf google maps lassen sich diese Linien immer so einfach ziehen. Vermeiden: Mautstrasse, Autobahn. Ja – google zeigt eine Fahrzeit an. Aber wenn man die Strecken dann zusammenstückelt, verliert man irgendwann die Übersicht. So hieß es vor und nach Bozen wieder: Ich weiß nicht mehr, wie ich sitzen soll – ich schlafe gleich ein vor lauter Langeweile.
Endlich in der Schweiz
Die Schweiz ist wirklich sehr angenehm zu fahren. Die Leute fahren sehr diszipliniert und halten Abstand. Die strengen Geschwindigkeitskontrollen haben mich gar nicht gestört, weil die Schweiz landschaftlich viel zu bieten hat – an den meisten Abschnitten zumindest. Eine sehr lange Durststrecke bis der Splügenpass folgte noch. Auch sehr schön. In Nufenen habe ich dann in einem netten Gasthof zu einem super Preis geschlafen. Am nächsten Tag ging es auf den S. Bernardino. Ein sehr schöner Pass – vor allem die Fahrt oben bzw. die lange, wirklich schöne Ab- bzw. Weiterfahrt beeindruckt. Aber dann wieder eine Durststrecke (Copy & Paste). Beim St. Gotthard Tunnel habe ich irgendwie den Start des alten Passes nicht gefunden und ich bin die „Autobahn“ raufgefahren – schade. Im Nachhinein: die alte Passstrasse ist nicht schwer zu finden, wenn man die Abzweigung findet …
Der hartverdiente Beginn
Und wieder: Es schaut auf google Maps sooooo unspektakulär aus – aber trotz eines kurzen Passes (Furkapass) – eine nervenzerrende Verbinungsstrecke … Die leider auch nur bedingt landschaftlich spannend war. Aber ich sagte mir: Ich will heute noch den Beginn der eigentlichen Tour schaffen.
Beginn der Route des Grandes Alpes
Nach vielen, vielen (Leer-)Kilometer: endlich: die Route des Grandes Alpes. Am Genfersee bin ich nur kurz stehen geblieben – ich war einfach so gespannt. 21 Pässe. Das muss das Paradies sein. Beginnen tut die Route mit einer Paradestrecke für Varahhannes Videos. Es kam dann mal ein Linienbus um eine blinde Ecke – ich war Gott sei Dank 3-4-5 Sekunden vor der Kurve. Da hätte glaub ich nicht einmal ein Radfahrer am Rande durchgepasst … Fazit: Obwohl die Strecke dort zum Heizen einlädt – lieber nicht.
Auch wenn man selbst nicht heizt - aber trotzdem ein flottes Tempo fährt: Die Disziplin - wie in der Schweiz - fehlt zur Gänze. Ein VW Pritschenwagen ist mir bergab mit 60 km/h Ewigkeiten mit 1m Abstand “obengepickt” - 3 Personen im Auto und ein paar hundert Kilo Holz am Dach. In einer Kolone sehr angenehm. Und das ist in Frankreich (und leider auch Italien) keine Seltenheit. Neben den 4rädrigen gibt es auch noch die Motorradfahrer - die haben auch sehr oft “geistige” Aussetzer. Grottenschlechte Linien - Probleme die Kurve genau zu treffen - aber Hauptsache: Vollgas!
In Cluses angekommen – endlich zum ersten Pass: Gesperrt! Tour de France Vorbereitungen … Also musste ich den Parallelpass über Bonneville fahren. Danach kamen wirklich noch ein paar sehr schöne Bergstraßen (ohne die Pässe jetzt alle aufzählen zu wollen / können) – Berichte dazu gibt es im Netz ja zur Genüge. Was mich ein wenig gestört hat (und was man in google Maps inzwischen auch schön sieht): Die meisten Regionen sind riesige Skigebiete. Im Sommer heißt das: störende Stützen und Seile – soweit das Auge reicht.
Leider war es schon ganz schwarz am Horizont und Regen war auch angekündigt. Daher wurde leider nichts aus der Maira-Stura-Kammstraße. Ich hab zwei Schweizer in Barcelonnette getroffen, welche sie noch am Vormittag gemacht haben – sie waren begeistert. Nach 2 Tagen Regen war ich dann irgendwann in Nizza.
Erkenntnis in Nizza: Der Gipfel ist erst die halbe Miete
Da stand ich nun in Nizza. Im Regengewand. Aber es hörte dann endlich auf – Gott sei Dank – weil ich musste mich 1h durch den Nizza Stadtverkehr durchkämpfen. Am Wochenende sind ja ein paar wichtige Straßen gesperrt. Geplant wäre die Rückfahrt über die Seealpen gewesen (graue Linie). Leider war auch für den nächsten Tag noch Schlechtwetter angesagt und – so ehrlich musste ich sein – wollte ich nicht viele Leerkilometer für 2 Pässe machen. Ich war zu dem Zeitpunkt einfach nicht so beeindruckt wie gedacht. Bis Imperia nutze ich die „Küstenstrasse“. Aber es kam einfach nie ein fahrerischer Spaß auf – im Kontrast zu der Strecke Saint-Raphaël bis Cannes (welche ich mit dem Auto mal gefahren bin) – geschweige Kroatien. Die Strecke bis kurz vor Asti war ok – das spiegelte sich auch an den vielen Motorradfahrern wider. Da auch Regen am Abend angekündigt war – ab auf die Autobahn und noch ein paar Kilometer machen. Leider bin ich dann 15 Minuten in den Regen gekommen. Die Strecke bis kurz vor den Gardasee war einfach Horror. Man weiß nicht mehr, wie man sitzen soll, wie man sich bei Laune halten soll. Dafür wurde ich dann aber von Gardasee bis Spital an der Drau mit einer schönen Strecke – bei schönem Wetter – entlohnt.
Mein Fazit: Die Betonung muss hier definitiv auf „mein“ liegen, weil ich inzwischen gelernt habe, dass jeder seinen eigenen Stil und seine eigenen Vorlieben hat. Daher bin ich mit Empfehlungen anderer inzwischen auch etwas vorsichtiger. Es gab einfach viele schöne Streckenabschnitte. Aber die Route des Grandes Alpes würde ich als „ok“ bei mir einordnen. Wenn sie vor der Haustüre wäre – wahrscheinlich sogar mit „gut“. Das Gleiche war in Rumänien – die Transfăgărășan ist mega schön – aber der Aufwand dort hinzukommen (für ein paar Minuten schöne Kurven) ist halt gigantisch. Mein Fehler war daher wohl, dass ich in Genf 1-2-3 Tage hätte Pause machen sollen, um frisch in die Route zu starten. Vielleicht würde ich es dann anders sehen. Natürlich ebenfalls zu bedenken: Der Kollege von rideventures schläft in den Seealpen und holt nach links und rechts auch aus. Das ist natürlich auch defentiv notwendig, da es sonst schade um die Anfahrt wäre. Ich dachte mir bei der Hin- und Rückfahrt: eigentlich hätte ich in Trentino bleiben können – hier gibt es ebenso schöne Pässe – mit weniger Leerkilometer.